Im Frühling des Jahres 1911 nimmt Felina Schrödinger eine feste Stelle als Dienstbotin im Schloss Biesdorf, dem Sitz der Familie Siemens, an. Von hier aus wird sie in den folgenden Jahren, gemeinsam mit Yuliya Sanshayn, eine eigene Form der Fotografie entwickeln, die unsere Vorstellung von Realität und Abbild radikal in Frage stellt.
Die Ausstellung der Autochrome von Felina Schrödinger wurde von André Werner kuratiert.
temporäre Rauminstallation
Die Bilder wurden während einer Performance zur Ausstellungseröffnung, direkt vor Publikum, auf die Wand vergrößert. Hierzu transformierte der Künstler den Raum in eine Dunkelkammer.
Video: Isabelle Meyrignac
Fotos: Boris Bocheinski, Nina Hartmann
Mit einer von ihm entwickelten Methode wandelt Atsushi Fukunaga Geräusche und Klänge in gesprochene Geräusche und Klänge um und verwendet dabei Stimmen und Texte, die aus den Klängen menschlicher Stimmen verschiedener Sprachkulturen bestehen (Onomatopoesie*).
Die so entstehende neue Onomatopoesie bildet unsere sprachliche Vielfalt ab. In Fukunagas Arbeiten, die den Wörtern und Konversationen unterschiedlicher Nationen entstammen, lässt sich ebenso die Interpretation des gesprochenen Wortes in der Veränderung von Generation zu Generation beobachten.
Video: Isabelle Meyrignac
Foto: Andreas Sachsenmaier
Ausgangspunkt dieser Arbeit ist das bei einem Spaziergang entdeckte Vereinsschild einer Kleingartenanlage. Nach und nach kamen mehr und mehr Bildmotive aus privatem oder gefundenem Material hinzu. Bedingt durch die ständige Erweiterung dehnte sich das ursprüngliche Bild aus und wuchs über den Rand hinaus. Die Figuren starteten ein Eigenleben und begannen Beziehungen untereinander aufzubauen. Individuelle Details auf den Fotos gehen durch das Raster der Löcher verloren, es entsteht ein homogen erscheinender Zusammenhang zwischen einzelnen Bildmotiven, der so nie existiert hat. Dadurch verändern sich Deutungen, die wir mit dem Wort Sehnsucht verbinden, je nachdem wo wir uns gerade in unserem Lebenslauf befinden. Die siebenteilige Arbeit entstand über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren als Polyptychon, wie es typischerweise für Altar-oder Andachtsbilder verwendet wird.
Lateinisch: Terra uligunosa = Moor, sumpfiges Land
Das Video zeigt knapp 500 Dias des Vaters des Künstlers – eines Biologen und Naturschützers – aus den Jahren 1965 bis 2000 aus niedersächsischen Mooren. Die Aufnahmen sind Notizen und Belegfotos zu Biotopzuständen, Naturschutz- und Renaturierungsmaßnahmen sowie Artenvorkommen. Die Dias wurden inklusive der Diarahmen digitalisiert, so dass nicht nur das Motiv, sondern auch die entsprechende Notiz dazu auf dem Rahmen in der Projektion erscheint. Die Betrachter*innen erhalten über die Landschaftsaufnahme hinaus Informationen zu Jahr, Ort und Subjekt des jeweiligen Dias.
Sinta Werners Kunst spielt mit der Beziehung zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, Realität und Abbild, physischer Präsenz und Projektion sowie der Verzahnung von virtuellem und realem Raum. Sie nutzt die Verdoppelung physischer Realität durch Scheinräume oder Spiegel, um eine Irritation und Täuschung des Auges hervorzurufen. Dabei setzt sie sich mit dem geometrischen Rationalismus der Architektur der funktionalistisch geprägten Moderne auseinander.
Video: Isabelle Meyrignac
Fotos: Bärbel Möllmann, Boris Bocheinski, Andreas Sachsenmaier
In dieser Arbeit sind mehrere Bezüge fragmentarisch aneinandergereiht: In Arno Schmidts Erzählung „Schwarze Spiegel“ streift der namenlose Erzähler durch die menschenleer gewordene Welt und besichtigt die Überreste der Zivilisation. „Wir werden der Welt – anstelle der Bilder – riesige ephemere Gemälde bieten, die aus den leuchtenden Farben elektrischer Scheinwerfer und farbigem Gas gebildet sind.“ So beschrieb der Futurist Umberto Boccioni 1911 die ästhetischen Möglichkeiten der Himmelsprojektion. Die von Walter Siemens mitentwickelte intensiv leuchtende Kohlebogenlampe wurde als Straßenbeleuchtung, für Kinoprojektoren und Flak-Scheinwerfer eingesetzt. Die Hälfte der Insekten ist nachtaktiv. Die Libelle des Jahres ist die Speer-Azurjungfer.
Das Werk von Thyra Schmidt basiert auf selbstverfassten Texten, oftmals in der Kombination verschiedener Medien zueinander umgesetzt. So entstand „Rendezvous“, eine Reihe von Blumenstillleben, als Reaktion auf die Audio-Collage „elle“, die fragmentarisch die Empfindungen, Behauptungen und Situationsbeschreibungen mehrerer potentieller Charaktere wiedergibt. Einige Titel der grob gerasterten Blumenstillleben aus „Rendezvous“ stammen aus „elle“, andere scheinen darauf zu reagieren. Mal wird einer Person gedacht, mal eine Atmosphäre widergespiegelt.
Dazugehörende Audioinstallation in Raum 1.01
Die Serie Save the Day versammelt fiktive Geschichten um erfundene Momente, die auf den Arbeitsweisen dieser hier zitierten berühmten Künstlerpersönlichkeiten basieren. Anfangspunkt dieser Serie war eine kleine Schachtel Aquamarinblau, die Joachim Seinfeld vor vielen Jahren geschenkt bekam und schon immer in einer künstlerischen Arbeit verwenden wollte. Und irgendwann war sie da: die Idee zu Yves Klein und damit zur ganzen Serie. (Mitarbeit Tami Seinfeld)
Video: Isabelle Meyrignac
Fotos: Bärbel Möllmann, Thyra Schmidt, Andreas Sachsenmaier
In der Kameraeinstellung ist ein Radweg zu sehen, der durch einen Wald führt. Es sind leise, atmosphärische Geräusche vernehmbar (Vogelgezwitscher, Wind, Rascheln, entfernte Straßen- und Stadtgeräusche). Ein Spaziergänger taucht in der Ferne auf dem Weg auf und verschwindet wieder. Nach ca. 5 min fällt der schräg über den Weg hängende Baum mit einem lauten Krachen quer auf den Weg, Äste brechen und stieben zur Seite.
Die Fotografien sind Teil der umfangreichen Serie »Alpha++ Models« (2017–2020). Sie zeigen eine Bestandsaufnahme neoliberal geformter globaler Städte und derer Randgebiete. Die hier gezeigte Auswahl legt einen Fokus auf Stadtteile, welche sich in unmittelbaren Umbruch befinden, verschiedene Zeitschichten und Lebensweisen stehen für einen kurzen Moment sichtbar nebeneinander, bis die einen, meist aus ökonomischem Druck, den anderen weichen müssen.“
Video: Isabelle Meyrignac
Fotos: Bärbel Möllmann, Andreas Sachsenmaier
Aufnahme mit einer Camera obscura
Der Künstlerin geht es bei der Arbeit nicht nur um die entstehende Aufnahme, sondern viel mehr um den fotografischen Prozess selbst und der Wahrnehmung von Wirklichkeit. Bei der Aufnahme aus der Serie Kloster der barmherzigen Gebrüder zu Montabaur ist die Projektion so deutlich auf der Wand zu sehen, dass der Betrachter nicht mehr auf den ersten Blick erkennen kann, was oben und unten, was Abbild und Realität, was innen und außen ist. Hier im Schloss Biesdorf wird die Aufnahme zusätzlich auf dem Kopf gezeigt. Die richtige Leserichtung wird wiederholt in Frage gestellt.
Ein sandiger Platz, eine Straße, ein Zaun, ein Mast, fünf Kinder spielen, dahinter eine Wand aus Wald. Ich beobachte sie aus großer Entfernung, verfolge ihr Spiel. In der Vergrößerung, dem optischen Heranholen versuche ich ihre Handlungen zu entschlüsseln. Eine scheinbare Nähe entsteht, es ist die Perspektive des ungesehenen Beobachters, der Blick des Jägers. Wir kennen ihn von spektakulären Pressefotos oder der Kamerafahrt im Film. Aber der vergrößerte Ausschnitt bringt keine Klarheit. Das Objekt entzieht sich, hält mich auf Distanz. Das Bild bleibt vage, es gibt nur seine Oberfläche preis, an der der Blick abprallt.
Das große und selbstbewusste „I PLAN“ und sein in die Zukunft weisender Charakter wird bei genauerem Hinsehen abrupt zurück in die Gegenwart geholt. Und aus dieser Gegenwart führt nichts mehr heraus …
Jörg Jantke
Jörg Jantkes Arbeitsgebiete sind Grafik, Malerei sowie Plastik/Installation. Bis 1995 war er hauptberuflich als Lehrer tätig, bevor er sich vollständig der freien Kunst verschrieb. Die abgebildeten Kinder waren Schüler seiner 10. Klasse.
Annette Peuker-Krisper
Die Malerin und Grafikerin studierte Freie Grafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Von 1994 bis 2014 hatte sie an der Burg Giebichenstein in Halle/ Saale eine Professur für Bildnerische Grundlagen, Malerei und Grafik inne.
In ihrer neuen Glasarbeiten-Serie erweitert Sinta Werner ihre Collagetechnik mit anderen Mitteln und materialisiert erstmals das urbane Phänomen der „Scheintransparenz“ und optischen Verflüssigung im Vexierspiel von Spiegelungen, Verschiebungen und Verdopplungen. Die fragmentierten Architekturen der ausgewählten Motive geraten in Bewegung, oszillieren synkopisch zwischen Konturierung und Verflüchtigung und verlieren ihre Dinghaftigkeit. Simultan gewinnt das Abbild in der Analogie zwischen Bildgegenstand und Bildträger an Substanz: Die Bildobjekte sind nicht nur symbolhafte Platzhalter, sondern verkörpern unmittelbar die gläsernen Fassaden, auf die sie verweisen. Die Künstlerin will damit den Blick verstärkt auf das Paradox zwischen An- und Abwesenheit, Beschleunigung und Entschleunigung, Transparenz und Undurchdringlichkeit lenken, das heute nicht nur das Gesicht unserer Städte, sondern unsere von Bildern durchwirkte und überlagerte Welt prägt.
„Ich trat also in den Kreis, er maß gute 3 Meter, gebildet aus 13 Monitoren. Die Monitore schauten sich gegenseitig an. In der Mitte des Kreises war genügend Bewegungsfreiheit für mich, außerdem war die Mitte beleuchtet. Als ich diese erreichte, glommen die Monitore auf. Ich umkreiste mich selbst. Wie ich mich auch drehte, im Auge behalten wollte, die Bilder vor mir drehten sich stets nach links, schlüpften von Monitor zu Monitor. Drehte ich mich nach links ins Rund, drehte sich mein Bild nach rechts, wobei es weiterhin linksherum wegschlüpfte. Ich muss mich wohl tausendmal selbst überholt haben, bis er mich aus dem Kreis befreite und mir das Geheimnis verriet. Er hatte eine Kamera außerhalb des Kreises aufgestellt, die mein Bild direkt in einen außenstehenden Monitor speiste. An diesem Monitor war der Bildfang* gelöst. Ohne Bildfang verlor mich der Monitor andauernd, ich entglitt ihm nach links, flupp, flupp, flupp, und war doch rechts gleich wieder da. Mit einer zweiten Kamera übertrug er mich auf die 13 Maschinen im Kreis.“ Cosima Reif
*Der Begriff Bildfang bezieht sich auf eine typische Fehlfunktion früher Fernsehgeräte. Wenn das vertikale Bildsignal nicht sauber synchronisiert war begann das Bild von oben nach unten durch den Monitor zu wandern. Mit Hilfe eines Bildfangdrehreglers konnte das Bild wieder stabilisiert werden.
Video: Isabelle Meyrignac
Fotos: Bärbel Möllmann, Andreas Sachsenmaier, Nina Hartmann
Eine temporäre Rauminstallation
Ulrike Kötz zeigt drei schmale, zueinander ausgerichtete Schränke mit geöffneten Türen. Im Inneren befinden sich Leuchtstoffröhren, die sich zeitversetzt ein und ausschalten. Dabei hört man das typische Klacken und sieht das verzögerte Flackern beim Aufleuchten der Leuchtstoffröhren – es scheint als reagierten die Schränke aufeinander.
Michael Morgner wurde in Sachsen geboren und ist dort noch immer zuhause. Er studiert an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und ging später wieder nach Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) zurück und gründete mit Freunden dort 1977 die Produzentengalerie CLARA MOSCH, die mit spektakulären Aktionen herausstach.
Der Bildzyklus FREMDE HAUT setzt sich in zwölf Fotografien mit dem (weiblichen) Körper und seiner Haut auseinander, wobei der Fokus auf den Alterungsprozess und dessen Spuren als sichtbar werdendes Vergehen von Zeit gerichtet ist.
In der Arbeit von Ulrike Möschel kommt das Momenthafte der Gegenwart im Augenblick der Reflexion durch eine spiegelnde Oberfläche zum Tragen. Dafür nutzt sie Blattsilber, ein altes und traditionelles Material für die Herstellung von Spiegeln.
Ein Fahrscheinentwerter der Berliner S-Bahn besitzt durch seine zweckorientierte Anpassung eine eigene Zeitaufteilung, die die physikalische Zeit in Fünfminutenblöcken taktet. Im Augenblick des Entwertens trifft die persönliche Zeit des Fahrgastes auf den Takt des Automaten. In einer von den zeit genossen durchgeführten kontinuierlichen Entwertung entstanden innerhalb eines Taktes 143 Fahrscheine mit demselben Aufdruck: „Anhalter Bahnhof 22.12.00 16:15“.
Mit ihren Arbeiten will die Künstlerin Vertrautes wiedererwecken und führt die Betrachter auf eine Ebene, wo Traum und Irritation verschmelzen. In verstörender Logik vermengen sich hier Behaglichkeit und Unbehagen mit einer ebenso subtilen wie fesselnden Kraft. Die Grenze zwischen dem bekannten Gestern und dem imaginären Morgen löst sich in der märchenhaften Harmonie einer schlafwandlerischen Landschaft auf.
Das Werk von Thyra Schmidt basiert auf selbstverfassten Texten, oftmals in der Kombination verschiedener Medien zueinander umgesetzt. So entstand „Rendezvous“, eine Reihe von Blumenstillleben, als Reaktion auf die Audio-Collage „elle“, die fragmentarisch die Empfindungen, Behauptungen und Situationsbeschreibungen mehrerer potentieller Charaktere wiedergibt.
Einige Titel der grob gerasterten Blumenstillleben aus „Rendezvous“ stammen aus „elle“, andere scheinen darauf zu reagieren. Mal wird einer Person gedacht, mal eine Atmosphäre widergespiegelt.
Video: Isabelle Meyrignac
Fotos: Bärbel Möllmann, Andreas Sachsenmaier