Joachim Seinfeld

Save The Day, 2013/2020

Die Serie Save the Day versammelt fiktive Geschichten um erfundene Momente, die auf den Arbeitsweisen dieser hier zitierten berühmten Künstlerpersönlichkeiten basieren. Anfangspunkt dieser Serie war eine kleine Schachtel Aquamarinblau, die Joachim Seinfeld vor vielen Jahren geschenkt bekam und schon immer in einer künstlerischen Arbeit verwenden wollte. Und irgendwann war sie da: die Idee zu Yves Klein und damit zur ganzen Serie.

(Mitarbeit: Tami Seinfeld)

Save The Day, 2013/2020, Ausstellungsansicht Schloss Biesdorf
Late Breakfast with Joseph Beuys, LBH: 32,4 x 32,4 x 23,0 cm
The Day Yves Klein Lost his Marbles in a Laundry, LBH: 32,4 x 32,4 x 23,0 cm

Save the Day

Spätes Frühstück mit Beuys

Es war ein langer Tag: Ausstellungseröffnung, Pressekonferenz, Performance sowie zwei Vorträge über Kapitalismus und den Klimawandel. Und das alles vor dem Frühstück!
Joseph Beuys setzte sich auf das Filzsofa an den Holztisch, der mit den Schriften Rudolph Steiners übersäht war. Eine Kerze in einem kupfernen Kerzenständer warf ein weiches Licht auf die Szenerie. Joseph war müde, aber sehr zufrieden. Die Studenten waren schwer beeindruckt gewesen von dem, was er über die Lösung der Probleme der Welt zu sagen gehabt hatte. Er hörte noch die sanften Klänge, die Nam June Paik während der Performance dem Klavier entlockt hatte. Er streichelte sein Haustier, einen Kojoten namens America, der zu seinen Füßen lag. Ein kleiner Aufmunterer wäre jetzt nicht schlecht!

Er lüpfte den Hut, fuhr sich mit den Fingern durch sein dünner werdendes Haar, setzte den Hut wieder auf, erhob sich und ging zu dem Schrank an der Wand gegenüber. Beuys betrachtete die Flaschen, die auf dem Brett hinter der Glastüre standen. Es gab noch eine Flasche Black & White Whisky, deutschen Weinbrand und einen Rest Kirsch. Nach kurzem Überlegen entschied er sich für etwas Heißes. Auch wenn es bereits spät war, war ein Frühstück schließlich doch noch angebracht. Er ging in die kleine Küche neben dem Wohnzimmer. Wäre jemand im Wohnzimmer gewesen, hätte er gehört, wie Joseph Beuys den Kessel aufsetzte, eine Tasse aus dem Küchenschrank nahm und diese auf ein Tablett auf dem Küchentisch absetzte. Nach einer Weile hörte man, wie etwas in die Tasse gegossen wurde.
Joseph Beuys kam ins Wohnzimmer zurück, räumte die Steinerschen Schriften weg und stellte das Tablett ab. Er nahm seinen Platz auf dem Sofa wieder ein und begann, die vielen Taschen seines Wehrmachtsmantels nach Zigaretten zu durchsuchen. Er fand jedoch keine.
„Mist!“ dachte er und erhob sich mit einer müden Bewegung und leicht schwankend. Er trat dem Kojoten, der aufjaulte, auf den Schwanz. Die Schöße des Wehrmachtsmantels wischten über die Tasse und warfen sie um. Das heiße Wachs, das sich darin befand, ergoss sich über den Tisch: „Na ja, ein weiteres Stück Arbeit dem heutigen Tag hinzugefügt“, sagte er laut.

Save the Day

The Day Yves Klein Lost his Marbles in a Laundry

Es war an einem regnerischen Tag im Jahr 1960. Yves Klein stand am Fenster, schaute auf die Straße und dann an seinem Hemd hinunter. Er musste sich eingestehen, dass es wirklich sehr dreckig war, voller blauer Flecken, die vom übermäßigen Gebrauch des Wäscheblaus herrührten, mit dem er dieses spezielle Hemd letztens behandelt hatte. Er wusste, dass es sich nicht leicht entfernen lassen würde. Die neue Technik, die er entwickelt hatte, damit das blaue Pigment auch wirklich haften blieb, sorgte dafür. Durch das Verfahren erschien das Blau geradezu wie aufgepudert. Er seufzte, IKB, seine beste Erfindung bisher. Er sollte das Verfahren wirklich patentieren lassen.

Aber zuerst musste er dieses Hemd sauber bekommen. Yves ging ins Badezimmer, knöpfte das Hemd auf, zog es aus und griff nach dem Stück Marseiller Seife. Er befeuchtete die Seife und begann das Hemd zu schrubben. Es geschah so gut wie nichts. Die Flecken wurden zwar etwas schwächer, verschwanden aber nicht. Nach mehreren Versuchen beschloss er, in einen Waschsalon zu gehen und zog das Hemd wieder an. Der Himmel war mittlerweile blau nach einem eher grauen Vormittag.
Ein blaues Auto fuhr an ihm vorbei als er, ab und an von einer Gartenmauer springend, die Straße hinunterging Schließlich betrat er den Waschsalon, eine Blue-Note-Melodie vor sich hin summend.

Er zog das Hemd aus, stopfte es in eine der Waschmaschinen und fügte ein gutes Pfund Waschmittel hinzu. Währenddessen sang er “dip dip dip in the whip whip whip”. Als er gut fünfzehn Minuten später das Hemd aus der Waschmaschine zog, war es immer noch leicht bläulich. „Ach, was soll’s“, murmelte er. Er griff in die Hosentasche, um etwas Kleingeld herauszuholen und zu bezahlen. Aber anstelle der erwarteten Münzen hielt er blaue Murmeln in der Hand. Er ließ sie fallen. Wild hüpfend rollten sie über den Boden. Yves Klein betrachtete sie, drehte sich um und tänzelte gleichsam zur Türe hinaus, wieder eine fröhliche Melodie summend.
Zum ersten Mal seit Ewigkeiten fühlte er sich frei von Konzepten jeglicher Art: Der reine Zen-Zustand.

Die Serie Save the Day versammelt fiktive Geschichten um erfundene Momente, die auf den Arbeitsweisen dieser hier zitierten berühmten Künstlerpersönlichkeiten basieren.

Anfangspunkt dieser Serie war eine kleine Schachtel Aquamarinblau, die Joachim Seinfeld vor vielen Jahren geschenkt bekam und schon immer in einer künstlerischen Arbeit verwenden wollte. Und irgendwann war sie da: die Idee zu Yves Klein und damit zur ganzen Serie. In der jetzigen Ausstellung befreit der Künstler die Kugeln aus dem Diorama und verteilt sie im Raum über den Köpfen der Besucher*innen.

oben: The Day, Yves Klein Lost his Marbles in a Laundry, mixed media, dimension: variabel, u re.: André Werner, …folgt Ihnen, u. li.: Memories Of A Camera, Ausstellungsansicht GEH8, Dresden 2020

Neighbours – Present – Past … and what lies in between, 2003-11

Excursion: Sulzbach-Rosenberg I, 2003 70 x 45 cm
Berlin: Petersburger Platz 2 VIII, 2011 70 x 80 cm

Die Fotografien für diese Serie stammen aus der Zeit der Herstellung der Häuser und Wandmalereien. Hypothetische ehemalige Bewohner der Wohnungen, aus denen die Wandanstriche stammen, bewegen sich wie geisterhafte Gestalten durch die Bilder. Es stellt sich die Frage, was aus diesen Menschen geworden sein könnte, die einst in den Häusern lebten, in denen jetzt wir leben, und wie wir mit diesen Schatten der Vergangenheit in unseren Wohnungen umgehen.

In einer Stadt wie Berlin, in der ein Teil der Bevölkerung deportiert, andere während des Krieges getötet wurden und in der Menschen wegen der historischen Veränderungen oder aufgrund der im Allgemeinen als Gentrifizierung bezeichneten Entwicklung seit Jahren aus ihren Wohnungen vertrieben werden, begleitet uns diese Frage immer.

Die Hintergründe der Arbeiten stammen von Wänden abgerissener oder später sanierter Gebäude. Die ursprünglichen Farbschichten werden von den Wänden abgenommen und auf einen neuen Untergrund übertragen, darauf wird mit flüssiger Silbergelatine ein Foto aus der Entstehungszeit der Häuser entwickelt.

Neighbours – Present – Past … and what lies in between, 2003 -11

Performance

Ausstellungseröffnung: Sehnsucht nach dem Jetzt, Schloss Biesdorf, Berlin 2020
Performance anlässlich der Eröffnung, Schloss Biesdorf 2020
Foto: Boris Bocheinski
Image: Performance
Ausstellungsansicht "Idiotie und Extasis", 3-teilige Performance im Tacheles ext., Berlin 2003
Image: Performance
Ausstellungsansicht "Idiotie und Extasis", 3-teilige Performance im Tacheles ext., Berlin 2003