«Der Bildersammler hatte sich von uns entfernt, sich eingeschlossen und nur noch inmitten seiner Bilder gelebt. Als ich ihn das letzte mal besuchte, hatte er über das Bildersammeln gesprochen und mir vom Bildfang erzählt. Bildfang, allein das Wort faszinierte ihn. Es handelte sich beim Bildfang um eine Einrichtung am Fernsehapparat. Als ich heute bei ihm war, hatte er, wie er mir lächelnd mitteilte, den Bildfang entfesselt. Ich trat also in den Kreis, er maß gute 3 Meter, gebildet aus 13 Monitoren. Die Monitore schauten sich gegenseitig an. In der Mitte des Kreises war genügend Bewegungsfreiheit für mich, außerdem war die Mitte beleuchtet.
Als ich diese erreichte, glommen die Monitore auf. Ich umkreiste mich selbst. Wie ich mich auch drehte, im Auge behalten wollte, die Bilder vor mir drehten sich stets nach links, schlüpften von Monitor zu Monitor. Drehte ich mich nach links ins Rund, drehte sich mein Bild nach rechts, wobei es weiterhin linksherum wegschlüpfte. Ich muss mich wohl tausendmal selbst überholt haben, bis er mich aus dem Kreis befreite und mir das Geheimnis verriet.
Er hatte eine Kamera außerhalb des Kreises aufgestellt, die mein Bild direkt in einen außenstehenden
Monitor speiste . An diesem Monitor war der Bildfang gelöst. Ohne Bildfang verlor mich der Monitor andauernd, ich entglitt ihm nach links, flupp, flupp, flupp, und war doch rechts gleich wieder da. Mit einer zweiten Kamera übertrug er mich auf die 13 Maschinen im Kreis.
Ich erinnerte mich an ein Spiegelkabinett, wo ich mich erstmals in meinem Leben hinter den Spiegeln und außer mir selbst gefühlt hatte. Verblüffend war jedoch, dass dieses elektronische Kabinett soviel eindimensionaler war, soviel leerer, karg wie ein Felsen, da ich nur immer und überall dieselbe Seite von mir vervielfältigt sah, die gleich Hexen um mich herumtanzte und in Sekundenschnelle sich auflöste, wieder entstand. Meine Bewegungen hatten andere Seiten von mir der Kamera zum Auflecken angeboten, dann war es nur der Rücken, der aus mir heraustrat, dann nur die Seite . Mein Bild war aus mir herausgetreten und hatte sich mir zum Hohn in seine eigene Dynamik verliebt. Der Bildersammler war zufrieden, daß er den Bildfang überlistet hatte. Er nannte das Spiel eine heilige Runde, ein Spiel zur Ablösung des Abgebildeten von seinem Bild.»
Aus den Aufzeichnungen von Cosima Reif