Circles, 2017
Dreizehn Monitore warten in einem Kreis von ca. 3 m Durchmesser, die Mattscheiben dem Mittelpunkt zugekehrt. Ein Lichtkegel erhellt das Kreisinnere. Betritt ein Neugieriger diesen Kreis, wird er von einer Kamera eingefangen. Diese Kamera überträgt nun den Neugierigen in einen außerhalb des Kreises gelagerten Monitor, bei dem die Bildachse in die Vertikale gedreht wurde und dessen Bildfang gelöst ist.
Resultat: Das Bild des Neugierigen schlüpft andauernd nach links – in die schwarzen Balken des Bildfangs – und wird sofort am rechten Bildrand wieder aufgebaut.
Felina Schrödinger und das Geheimnis der Conjunctiva, 2020
Memories of a camera, Live Installation, 2020
… Follows You, interaktives Lichtobjekt, 2020
Die ersten beiden Teile einer Serie von interaktiven Lichtobjekten. Das Bild wird von hinten beleuchtet, wenn ein Bewegungssensor von einem Betrachter ausgelöst wird. Das Bild bleibt etwa fünf Sekunden lang sichtbar, bevor es sich wieder hinter einem leeren weißen Bildschirm versteckt.
aus der Serie «Das winkenden Mädchen», 2021
Denke ich darüber nach, werden Erinnerungen wach. Verschwommen, aber diese Unschärfe mindert nicht die Erfahrung, im Gegenteil, sie untermauert die Echtheit meiner Erinnerung. Genauso wie das unscharfe Bild einer Überwachungskamera die Echtheit des Attentates bestätigt.
Ich sehe es vor mir. Die langsame, nahezu zärtliche Bewegung von links nach rechts. Die offene Handfläche, die sich darbietet. Schau her, ruft sie, keine Waffe, kein Smartphone, ich bedrohe dich nicht, bin keinerlei Gefahr. Ich glaube den Luftstrom zu spüren, der ihr Handgelenk streichelt, während sie sich weiter von links nach rechts und zurück bewegt.
Sicherlich, es sind nicht die festgeschriebenen Bilder einer materiellen Vergangenheit. Es sind gefangene Augenblicke, kleine Momente, die man in seinem Gedächtnis hält, nicht unähnlich einem Vogelküken, welches wir für einen kurzen Moment flatternd in unseren Händen halten. Und so wie das Vögelchen kurz darauf wegflattert, so sind auch diese Bilder immer nur kurz vor unserem geistigen Auge, fliegen davon, und wenn sie wiederkehren haben sie bereits eine neue Gestalt angenommen.
Ich sehe sie vor mir. Ganz im Hier und Jetzt. Sie lacht mir zu, ihre rechte Hand, auf gleicher Höhe wie ihr Mund, winkt mir zu. Aber ich weiß nicht, warum sie mir zuwinkt. Erkennt sie mich? Ist es eine Begrüßung, ein Abschied, oder ist es jenes offenherzige Winken, welches man den Passagieren eines vorbeiziehenden Schiffes schenkt? Das Winken ist sich ja selbst genug, existiert nur im Moment des Winkens selber. Ohne Einleitung, ohne Nachspann, es liefert uns keine Begründung. Warum auch?
Sie haben mich nach der Sehnsucht gefragt. Jetzt haben Sie meine Antwort.
«Der Bildersammler hatte sich von uns entfernt, sich eingeschlossen und nur noch inmitten seiner Bilder gelebt. Als ich ihn das letzte mal besuchte, hatte er über das Bildersammeln gesprochen und mir vom Bildfang erzählt. Bildfang, allein das Wort faszinierte ihn. Es handelte sich beim Bildfang um eine Einrichtung am Fernsehapparat. Als ich heute bei ihm war, hatte er, wie er mir lächelnd mitteilte, den Bildfang entfesselt. Ich trat also in den Kreis, er maß gute 3 Meter, gebildet aus 13 Monitoren. Die Monitore schauten sich gegenseitig an. In der Mitte des Kreises war genügend Bewegungsfreiheit für mich, außerdem war die Mitte beleuchtet.
Als ich diese erreichte, glommen die Monitore auf. Ich umkreiste mich selbst. Wie ich mich auch drehte, im Auge behalten wollte, die Bilder vor mir drehten sich stets nach links, schlüpften von Monitor zu Monitor. Drehte ich mich nach links ins Rund, drehte sich mein Bild nach rechts, wobei es weiterhin linksherum wegschlüpfte. Ich muss mich wohl tausendmal selbst überholt haben, bis er mich aus dem Kreis befreite und mir das Geheimnis verriet.
Er hatte eine Kamera außerhalb des Kreises aufgestellt, die mein Bild direkt in einen außenstehenden
Monitor speiste . An diesem Monitor war der Bildfang gelöst. Ohne Bildfang verlor mich der Monitor andauernd, ich entglitt ihm nach links, flupp, flupp, flupp, und war doch rechts gleich wieder da. Mit einer zweiten Kamera übertrug er mich auf die 13 Maschinen im Kreis.
Ich erinnerte mich an ein Spiegelkabinett, wo ich mich erstmals in meinem Leben hinter den Spiegeln und außer mir selbst gefühlt hatte. Verblüffend war jedoch, dass dieses elektronische Kabinett soviel eindimensionaler war, soviel leerer, karg wie ein Felsen, da ich nur immer und überall dieselbe Seite von mir vervielfältigt sah, die gleich Hexen um mich herumtanzte und in Sekundenschnelle sich auflöste, wieder entstand. Meine Bewegungen hatten andere Seiten von mir der Kamera zum Auflecken angeboten, dann war es nur der Rücken, der aus mir heraustrat, dann nur die Seite . Mein Bild war aus mir herausgetreten und hatte sich mir zum Hohn in seine eigene Dynamik verliebt. Der Bildersammler war zufrieden, daß er den Bildfang überlistet hatte. Er nannte das Spiel eine heilige Runde, ein Spiel zur Ablösung des Abgebildeten von seinem Bild.»
Aus den Aufzeichnungen von Cosima Reif
Vita | ||
born in Berlin | ||
1986 | studied Hochschule der Künste, Berlin | |
works with video-installations, videos and works in the public space. | ||
since 1989 | curator for group-exhibitions and video-screenings focused on video-art and room-installations | |
since 1997 | computeranimation, screen-animation for tv and movie-productions, conception and authoring of digital art-publications and computer-installations | |
founder and artistic director for Directors Lounge Berlin, contemporary media and art festival |